Allgemein

#unkürzbar – OFFENER (Protest) BRIEF Berlin

(Erneut) Drohende Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe und der Familienförderung im Bezirk Berlin-Mitte

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Kai Wegner,
sehr geehrter Herr Bürgermeister und Senator Stefan Evers,
sehr geehrte Frau Senatorin Katharina Günther-Wünsch,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Falko Liecke,
sehr geehrte Frau Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger,
sehr geehrter Herr Bezirksstadtrat Christoph Keller,
sehr geehrte Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses,
sehr geehrte Bezirksverordnete aus Berlin-Mitte,
sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem wir bereits im Frühjahr 2024 u.a. mit einem offenen Brief und diversen Protestaktionen im Schulterschluss mit vielen Trägern uns gegen drohende Kürzungen zur Wehr setzen mussten, befinden wir uns nach nur wenigen Monaten in der gleichen katastrophalen Lage: Erneut drohen der Kinder- und Jugendhilfe Kürzungen und damit verbunden die Reduzierung von Leistungen nach §11, §13.1 und §16.

Wir nehmen wahr, dass die aktuelle Situation durch das von der Senatsverwaltung für Finanzen gegenüber allen Berliner Bezirken ausgesprochene Verbot von jeglichem Verwaltungshandeln, das im Zusammenhang mit der Bewilligung von Zuwendungsbescheiden und Zuwendungsverträgen steht, deutlich erschwert wird. Hinzu kommen die hohen Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung sowie die Vorgabe von pauschalen Minderausgaben, die mit der Aufstellung des Landeshaushalts begründet werden. Wir erkennen an, dass der Bezirk unter diesen schwierigen Voraussetzungen um Transparenz und eine Beteiligung von Leistungserbringer*innen bemüht ist.

Nichtsdestotrotz stellen die damit verbundenen Konsequenzen für betroffene Träger einmal mehr eine unzumutbare Situation dar. Wurde die existenzielle Gefahr für 2024 gerade erst gebannt, müssen nun schon wieder Kinder und Jugendliche um für sie essenzielle Angebote fürchten, Fachkräfte sich um ihre Arbeitsplätze sorgen und Träger um ihre finanzielle Existenzgrundlage bangen.

Es ist evident, dass die bereits im Frühjahr angeführten Argumente gegen etwaige Kürzungen weder an Kraft noch an Bedeutung verloren haben. Mit den drohenden Kürzungen verliert der Bezirk:

  • niedrigschwellige Angebote, die einen präventiven Beitrag zur Gewährleistung des Kinder- und Jugendschutzes leisten und damit u.a. den chronisch unterbesetzten RSD entlasten und auch präventiv dazu beitragen, die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung nicht noch weiter zu erhöhen,
  • wichtige Anlaufstellen für Familien, denen wesentliche Unterstützung und Orientierung verloren geht,
  • zentrale Orte für Empowerment und Selbstwirksamkeit, die auch aktuellen Phänomenen wie Vereinsamung und gesellschaftlicher Abschottung begegnen,
  • spezifische Angebote für besonders vulnerable Zielgruppen, die von Diskriminierung betroffen sind,
  • armutspräventive Orte, die Bildungsbenachteiligungen abbauen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft leisten,
  • hochqualifizierte Fachkräfte, die sich ggfs. anderen Bereichen der Sozialen Arbeit zuwenden oder das Arbeitsfeld ganz verlassen,
  • lebendige und funktionierende Netzwerke, die in ihrer Vielfalt wichtige Bausteine in den Präventionsketten besetzen und zur Sicherung des sozialen Friedens in der Stadt beitragen.

In der Zwischenzeit wurde der 17. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung veröffentlicht, der deutlich macht, dass Kinder und Jugendliche sich übersehen bzw. zu wenig beteiligt fühlen und einen eher pessimistischen Blick in die Zukunft werfen. Der Bericht hat vor diesem Hintergrund eine wichtige Botschaft: Um in Krisen zuversichtlich zu sein, brauchen Kinder und Jugendliche verlässliche Vertrauenspersonen und stabile Strukturen, denn Vertrauen und Zuversicht entstehen auch durch Erfahrungen, beteiligt zu werden. Genau hierfür braucht es keinen Abbau, sondern vielmehr noch einen Ausbau von bestehenden Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe. So kann potenziellen negativen Folge-erscheinungen wie etwa Bildungsabbrüchen, Jugendarbeitslosigkeit, etc. frühzeitig und professionell begegnet werden, um damit nicht zuletzt auch volkswirtschaftliche Kosten zu reduzieren.

Wir bleiben zudem bei unserer grundsätzlichen Haltung: Einsparungen in der Kinder- und Jugendhilfe und der Familienförderung und die damit verbundene Reduzierung bzw. der Wegfall von Angeboten stellen einen gravierenden Verstoß gegen die Versorgungspflichten des SGB VIII und das Kinder- und Jugendfördergesetz sowie das Familienfördergesetz dar und sind nicht akzeptabel. Alle betroffenen Einrichtungen sind mit all ihren Angeboten #unkürzbar!

Vor diesem Hintergrund fordern wir Sie als politische Entscheidungsträger*innen auf:

  • umgehend eine Entscheidung zur quantitativen und qualitativen Absicherung der Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und der Familienförderung herbeizuführen, die keine Kürzung der bisherigen Angebote zur Folge hat,
  • die freien Träger weiterhin in die Lage zu versetzen, ihre Mitarbeiter*innen tarifgerecht zu vergüten sowie sich auf Landesebene für die Finanzierung der Hauptstadtzulage für freie Träger einzusetzen,
  • das Kinder- und Jugendfördergesetz und das Familienfördergesetz im gesetzlich vorgegebenen Umfang umzusetzen,
  • sich auf Senatsebene für flexiblere Möglichkeiten einzusetzen, um die pauschalen Minderausgaben auf bezirklicher Ebene zu erbringen.

Im solidarischen Schulterschluss – die unterzeichnenden Bürgerdeputierten des Jugendhilfeausschusses Mitte, die Träger der Jugendhilfe mit den Angeboten nach §11, §13.1 und §16 im Bezirk und Unterstützer*innen aus ganz Berlin:

AG 78 Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit
AG 78 schulbezogene Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit
AG 78 Jugendberufshilfe
AG 78 Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit Moabit
AG 78 Familienzentren
RAG nördliche Torstraße
Al-Dar e.V.
Ausbildungswerk Kreuzberg e.V.
AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
Bethania Diakonie
Bezirkssportbund Berlin-Mitte e.V.
casablanca gGmbH
Clara Outreach
Club Dialog e.V. Jugendzentrum Schalasch Mitte
Demokratie in der Mitte
Deutscher Familienverband LV Berlin
Each One Teach One (EOTO) e.V.
Ev. Jugend im Kirchenkreis Berlin Nord-Ost
Fabrik Osloer Strasse e.V.
find out e.V.
FiPP e.V.
Frecher Spatz e.V.
FVAJ e.V.
Gangway – Straßensozialarbeit in Berlin e.V.
GEW Berlin – VB Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit
GLADT e.V.
HVD Berlin-Brandenburg KdöR
KIDZ e.V.
Kinderschutzbund Berlin
Kinderverein Ottokar e.V,
KJSH Stiftung Kinder- und Jugendhilfe-Verbund Berlin-Brandenburg
Klubheim Berlin
Legasthenie-Zentrum Schöneberg gGmbH
Moabit hilft e.V.
Moabiter Ratschlag e.V.
Nachbarschafts- und Selbsthilfezentrum in der UFA-Fabrik e.V.
Netzwerk Berliner Kinderpatenschaften e.V.
Neues Wohnen im Kiez GmbH
newway
Omas gegen Rechts.Berlin
Paul Gerhardt Stift Soziales gGmbH
Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH
Psychosoziale Initiative Moabit e.V.
Putte e.V.
Sinneswandel gGmbH
SOS-Kinderdorf Berlin
Sprach- und Bildungsförderung Sprint gGmbH
Stadtteilgruppe Moabit e.V.
Sternenpfad Kinder- und Jugendhilfe gGmbH
Stiftung SPI – GB Lebenslagen, Vielfalt und Stadtentwicklung
Tandem BTL
teeny musik treff
UAG Moabit
ver.di – FB Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft in Berlin-Brandenburg
Weddinger Kinderfarm e.V.
WeTeK Berlin gGmbH
WIR GESTALTEN e.V.
Wohnwerkstatt e.V.
Zentrum für bewegte Kunst e.V.
Zirkus Internationale e.V.
ZukunftPlus e.V.
Zukunftsbau GmbH

Die Absender im Namen des Bündnisses

Sabine Derwenskus-Böhm, AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V., Bürgerdeputierte im JHA
derwenskus-boehm@awo-mitte.de

Andrea Lang, Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH, stellv. Bürgerdeputierte im JHA
andrea.lang@pfefferwerk.de

Anne Luther, SOS Kinderdorf Berlin, Bürgerdeputierte im JHA
Anne.luther@sos-kinderdorf.de

Sascha Mase, tandem BTL, Bürgerdeputierter im JHA
sascha.mase@tandembtl.de

Christian Neumann, Kinderschutzbund Berlin, Bürgerdeputierter im JHA
c.neumann@kinderschutzbund-berlin.de

Irene Stephani, Stadtteilgruppe Moabit e.V., stellv. Bürgerdeputierte im JHA
i.stephani@berlin.de